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Interview mit Emma Moll und Renate Seeger

Emma Moll (EM) bestimmte zusammen mit ihrem Mann Rudolf über 30 Jahre lang die Geschicke von Kober Sportgeräte. Zusammen mit Renate Seeger (RS), damals verantwortlich für Auftragsabwicklung und Versand erinnert sie sich.
Kober Sportgeräte Belegschaft

Frau Moll, Sie sind jetzt 86 Jahre alt. Wie weit reichen Ihre Erinnerungen an den Betrieb Ihrer Eltern zurück?
EM:
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir als Schulkinder am Nachmittag bei der Skiherstellung geholfen haben. An Kreissäge und Hobelmaschine mussten wir die Werkstücke abnehmen. Wie die Kinder der Bauern in der Landwirtschaft mitgearbeitet haben, taten wir es eben in der Werkstatt. Unsere eigenen Kinder später übrigens auch. Es war eine Selbstverständlichkeit. Weil es damals noch keine Absauganlagen gab, haben wir am Abend die Spänehaufen neben den Maschinen mit Körben aus der Werkstatt getragen und dann noch gekehrt. Da sind wir oft auf der Eckbank schon eingeschlafen.
Auch dass die Lieferungen an Kunden früher mit dem Pferdewagen! zum Bahnhof gebracht wurden habe ich noch deutlich vor Augen.

Frau Seeger, Sie können auf über 40 Jahre Betriebszugehörigkeit zurück blicken. Waren Sie die einzige, die so lange in der Firma war?Albrecht Link und Renate Seeger

RS: Nein, auch Gerhard Steinwandt und Albrecht Link waren über 40 Jahre dabei.
EM: Erfahrene Mitarbeiter waren auch damals schon eine wichtige Säule unseres Erfolgs und sind noch heute Garant für hohe Qualität. Auch mein Sohn Hartmut (Inhaber der Kober & Moll GmbH) vertraut darauf.

Was waren Ihre Aufgabenbereiche?
RS:
Hauptsächlich die Auftragsbearbeitung und der Versand. Wenn aber zu manchen Zeiten jede Hand gebraucht wurde, habe ich natürlich auch wo anders mit angepackt.

Welches bemerkenswerte Paddelmodell fällt Ihnen auf Anhieb ein?
RS:
Das Arkansas mit gewalztem Leichtmetall-Blatt. Das war von der Machart sehr aufwendig mit den vielen Nieten aber auch einzigartig und von sehr hoher Qualität.

Hartmut Moll und Rudolf Moll

 
Sie haben in Ihrer Zeit bei Kober zwei verschiedene Chefs (Rudolf und Hartmut Moll) erlebt. Mit welchem war das Leben leichter?
RS:
Ich hab mich mit beiden gut verstanden, sonst wäre ich ja nicht so lange geblieben. Aber es ist schon eine nicht alltägliche Situation, wenn man einem zweieinhalb jährigen Knaben in der Werkstatt die Windeln wechselt und später ist der dann dein Chef. (lacht)


Frau Moll, erinnern sie sich noch an die erfolgreichsten Zeiten?
EM:
Ja, natürlich. Das waren mit Sicherheit die 1970er Jahre.
Das Geschäft mit Paddeln explodierte, wir mussten die Werkstatt immer wieder vergrößern und haben dann sogar die Skiproduktion eingestellt, als der Wettbewerb hier immer härter wurde. Unsere Paddel waren im Wettkampf sehr erfolgreich und zu unseren größten Kunden gehörten der Quelle-Versand und die Klepper Werke. Viele Eisenbahnwaggons sind damals mit unseren Produkten nach Fürth und Rosenheim gerollt.
RS: Uns standen jedes Mal die Haare zu Berge, wenn Frau Schickedanz (Inhaberin des Quelle-Versands) angerufen hat. Dann hieß es für uns Überstunden machen!
Jedes Paddel musste einzeln in Karton verpackt werden, um den Weiterversand bei Quelle so reibungslos wie möglich zu gestalten. Für uns natürlich viel zusätzlicher Aufwand.

Welche Märkte wurden in dieser Zeit noch beliefert?
RS:
Wir verkauften damals weltweit, an 13 verschiedene Nationen. Zu den größten Kunden zählten damals Norwegen, Schweden, Kanada, USA und England.
EM: Als wir die ersten Überseecontainer geladen haben, mussten wir natürlich alles vorher aufs Lager produzieren. Einige tausend Stück. Das hat oft ein viertel Jahr gedauert. Die fertigen Kartons haben sich dann bei uns überall gestapelt. In der Produktion, in den Gängen, im Büro. Es war fast kein Durchkommen mehr. Heute unvorstellbar.
Beim Verladen waren dann Beamte vom Zoll bei uns am Hof und haben alles peinlich genau kontrolliert.
RS: Trotzdem haben wir es immer wieder geschafft für die Frau unseres USA Kunden einige Pakete Persil unterzubringen. Die hatten doch kein gescheites Waschmittel in Amerika! (beide lachen)
EM: Später wurde dann auch im Paddelbau der Wettbewerb immer härter, aber wir haben immer wieder Maßstäbe gesetzt und uns bis heute erfolgreich behauptet.

Welches war zu Ihrer Zeit das am meisten verkaufte Paddel?
RS:
Ganz klar, das Standard!

Es ist bis heute im Programm und wird fast unverändert gebaut! Da kommen bezüglich Kontinuität eigentlich nur noch die Klepper Faltboote dran.
EM:
Furnierzuschnitt, verpressen, Schaft anleimen, schleifen, tauchen, Kanten vernieten, putzen. Viele einzelne Arbeitsschritte sind auch heute noch notwendig bis der Klassiker entsteht.

Es waren sicher nicht nur erfolgreiche Jahre. Wo waren die Tiefschläge?
EM:
Das war zum einen der Krieg, der uns alle stark getroffen hat. Es waren, wie überall, fast ausschließlich Frauen bei uns in der Produktion, auch an den komplizierten Maschinen. Wir konnten glücklicherweise lange produzieren und hatten auch einige Abnehmer. Nach dem Krieg waren dann bald die großen Warenhäuser wie Horten, Neckermann und Hertie gute Kunden.

Und dann?
EM:
Die zweite große Prüfung traf uns mit dem Brand von Werkstatt und Wohnhaus im Jahr 1952. Da hatten wir uns nach den Kriegswirren gerade wieder einigermaßen gefestigt.

Wie kam das?Produktionsgebäude nach dem Brand
EM:
Es konnte nie eindeutig geklärt werden, aber es bestand starker Verdacht auf Brandstiftung. Anders hat's fast nicht sein können. Ich hab's noch wie heute vor meinen Augen: Als ich am Abend mit meinem zukünftigen Mann (Rudolf) vom Brautkleid anprobieren zurückgekommen bin, stand unser ganzes Anwesen schon in Flammen. Eine der wenigen Sachen, die gerettet werden konnte, war eine neue Hobelmaschine, die mein Vater kurz zuvor gekauft hatte. Rudolf und ein Nachbar konnten sie in letzter Minute den Flammen entreißen. Der Rest war Totalschaden.

Das bedeutet normalerweise das Aus, wenn man nicht gerade sehr gut versichert ist?
EM:
Wir als sparsame Schwaben hatten natürlich keine sehr hohe Versicherungssumme. Mit viel eigener Anstrengung, großer Nachbarschaftshilfe und fleißiger Unterstützung der Belegschaft, konnten wir nach nur einem halben Jahr wieder produzieren und nach weiteren drei Monaten das neue Wohnhaus beziehen.

Es gab aber auch noch andere Ereignisse?
EM:
Ja, einmal hatten wir einen Spionagefall der besonderen Art.
Eines Tages, ich mit Arbeitsschürze, Kopftuch und voller Staub in der Werkstatt, stand die Konkurrenz aus Amerika völlig unangemeldet vor der Tür. Sie wollten erfahren, wie der hervorragende Ruf und die legendäre Qualität unserer Paddel zustande kommen. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Gleichzeitig machte uns das aber auch ein klein wenig stolz und wir haben ihnen einige Bereiche des Betriebs gezeigt. Die heiligen Hallen der Entwicklung und sensible Bereiche der Produktion natürlich nicht. Geholfen hat ihnen der Überraschungsbesuch allerdings nichts, denn auch danach haben wir weiterhin erfolgreich in Amerika verkauft.
Oder der Kulturschock mit Japan:
Wir hatten einen japanischen Kunden bei uns zum Essen eingeladen. Bei den danach beginnenden geschäftlichen Verhandlungen war es für mich selbst verständlich mit am Tisch zu sitzen. Den Japanern passte das gar nicht - eine Frau bei Verhandlungen - und sie erdreisteten sich, mich weg zu schicken. Das ist mir allerdings nur ein Mal passiert.

Wir haben gehört, dass nicht nur Ihre Paddel, sondern auch Ihre Kochkünste auf der ganzen Welt geschätzt waren. Stimmt das?
EM:
Einem Kunden aus England, der uns regelmäßig besuchte, haben wir mehrmals ein Hotel empfohlen. Er hat jedes Mal abgelehnt. Wahrscheinlich hat es ihm bei mir besser geschmeckt.
Oder die Wettkämpfer. Wir hatten im Laufe der Jahre viele verschiedene Nationalmannschaften bei uns am Tisch. Australien, Frankreich, Kanada und viele andere. Die Deutschen waren natürlich auch dabei. Das war damals schon außergewöhnlich so direkten Kontakt zu fernen Ländern zu haben. ... und essen können die Paddler! Aber wem sag ich das?
Eine nette Geschichte fällt mir noch zu den Kanadiern ein, die uns einmal unverhofft besuchten. Ich war nicht zu Hause, mein Mann wollte sie bewirten und ging dazu in den Keller. Da er in Haushaltsdingen nicht so geübt war, dauerte es geraume Zeit. Für die hungrigen Kanadier wohl zu lange. Plötzlich stand die ganze Delegation im Keller und die Verhandlungen wurden dort fortgesetzt. In welchem Verhältnis die Zeche zum Auftrag stand kann ich leider nicht mehr sagen. (lacht)

Sie haben das Verhältnis zu den Athleten angesprochen. Können Sie das näher erklären?Französische NationalmannschaftEM: Die sehr erfolgreichen Sportler wurden schon damals gesponsert und intensiv von uns betreut. Rudolf war damals bei fast jedem wichtigen Rennen in ganz Europa unterwegs. Wir haben die individuellen Vorlieben der Wettkämpfer berücksichtigt und ihnen entsprechende Paddel gebaut. Der Lohn waren dann außergewöhnlich viele Erfolge bei Europa- und Weltmeisterschaften. Ganz besonders gefreut haben uns natürlich die Olympischen Spiele von Augsburg 1972, wo ein Drittel aller vergebenen Medaillen, mit unseren Paddeln eingefahren wurden. Leider keine Goldene, die kam erst 1996 in Atlanta dazu.
Der Kontakt zu den Paddlern war schon immer eine wichtige Grundlage für den Erfolg unserer Firma, um zu verstehen welche Produkte der Markt braucht. Hartmut (Moll) macht es ja heute noch genau so und ist auf vielen Veranstaltungen dabei.

Wie haben sich die Sportler damals bei Ihnen bedankt?
EM:
Der schönste Dank war natürlich immer der Erfolg. Das war die Bestätigung auf's richtige „Pferd" gesetzt zu haben. Und natürlich die Wurstlieferungen der Metzgerei Knittel aus Fulda. Da haben wir uns immer besonders gefreut!

Noch ein Wort zu Ihren Mitbewerbern der damaligen Zeit. Heute ist die Vielfalt der Anbieter ja unüberschaubar. Wie war das damals?
EM:
In Deutschland waren das hauptsächlich Prijon und Lettmann. Später kam dann noch Schlegel und Bavaria hinzu. Das waren Firmen mit geradliniger Strategie, die ihrer Linie treu geblieben sind und ihre Seele nicht an Großkonzerne verkauft haben.

Ein weiterer bemerkenswerter Sprung in der Geschichte ist sicherlich der Umstieg von Holz auf Kunststoff. Was fällt Ihnen dazu ein?
RS:
Es war schon erstaunlich, welche Fortschritte gerade in Bezug auf Haltbarkeit und Gewicht damit erreicht werden konnten. Wir hatten ja Kunststoffe und Fasern in der Skiproduktion schon eine Zeit lang verwendet. Während andere erst mühsam damit experimentierten, konnten wir unsere Erfahrungen voll im Paddelbau nutzen. Das verschaffte uns schon einen gewissen Entwicklungsvorsprung.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass Holz in einigen Situationen nach wie vor seine Berechtigung hat und von den Paddlern geschätzt wird.

Zwei Generationen zusammen in einer Firma. Sie haben diese Situation zwei Mal erlebt, genau wie Ihr Sohn Hartmut jetzt. Seine Tochter Jenny arbeitet seit einigen Jahren im Betrieb mit. War es damals leichter oder schwieriger als heute?
EM:
Ich denke es macht keinen Unterschied. Meinungsverschiedenheiten wird es immer geben. Innerhalb der Familie werden sie meist offen geführt und führen so zu einem schnellen Ergebnis. Das ist positiv. Sie sind aber auch notwendig für den Fortschritt.

Sie waren so lange im Geschäft. Wie war der Abschied?Renate Seeger und Emma Moll
EM:
Ich hatte immer Angst bei meinem Ruhestand in ein Loch zu fallen. Aber das war nicht der Fall. Nach der Betriebsübergabe habe ich noch ein halbes Jahr mit deutlich geringerer Stundenzahl weitergearbeitet. Da war der Übergang fließend.


Frau Moll, Frau Seeger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führten Jenny Moll und Gerhard Nürnberger.